Freitag, 2. November 2018

Museumsmarathon und Metropresse

2.11.18
In der Metrostation empfängt mich diese Katze. Passt ja zum heutigen Tag. Es werden mir noch mehr Katzen begegnen. In Japan werden sie häufig auf Gemälden verewigt, finde ich jedenfalls.


Ich will in den Stadtteil Roppongi. Wenn mehr los ist, stehen die Aufpasser an den Zügen auf einem kleinen Hockerchen, damit sie einen besseren Überblick haben. Dieser Herr hier ist gerade abgestiegen.


So eine tief im Inneren der Erde vergrabene und verwirrende Metrostation habe ich bislang noch nicht erlebt. 5 lange steile Rolltreppen brauche ich, um nach oben zu kommen.
Auf den Stufen wird gefegt, obwohl es meist nichts zu Fegen gibt in den Metrostationen. Es wirft ja fast niemand etwas weg.
Ein Aufpasser, die an jedem Eingang sitzen, läuft hinter mir her und schickt mich leider auf einen Irrweg. Ich muss wieder eine Etage runter, dann endlos kreuz und quer laufen, bis ich nach einer gefühlten Ewigkeit an der von Auspuffgasen geschwängerten Luft bin.
Vielleicht hat der Typ ja nichts Böses im Sinn gehabt, aber ich fühle mich veräppelt.
Zum Roppongi Dreieck ist es ein ganzes Stück zu laufen.
Nachdem ich vorgestern die ganz moderne Kunstrichtung erlebt habe, will ich mich heute der allgemeineren Gegenwartskunst Japans widmen.
Auf dem Weg dorthin komme ich an einem winzigen Schrein mit integriertem Friedhof vorbei, danach geht es leicht bergauf.
Endlich erreiche ich das National Art Center Tokios mit seiner faszinierenden Architektur. Designed wurde es von einem Kisho Kurokawa, und es hat die größten Ausstellungsflächen von Japan, aber keine eigenen Sammlungen. Zuerst will ich mir gar nichts anschauen, nur die Gebäude und die Umgebung. Ein paar Blicke in die Türen der Ausstellungen machen mich aber neugierig, und glatt kaufe ich mir eine Eintrittskarte für die falsche Ausstellung.



Zur Erinnerung an den 110-ten Geburtstag eines Herrn Higashiyama Kaii, der von 1908 bis 1999 lebte, wurde diese Ausstellung gestaltet. Er war ein sehr bekannter Maler, der in seinen Landschaftsbildern tiefe Emotionen versucht habe auszudrücken.
Er hat einige Länder in Europa bereist, auch Deutschland hat er kennengelernt.
Mach' das Beste draus, sage ich mir und marschiere durch. Uninteressant ist sie nicht, aber nicht unbedingt mein Geschmack. Fotografieren darf man erst, wenn man im Verkaufsladen gelandet ist. Die Ausstellung ist sehr gut besucht.




Diese Bilder oben von ihm haben mir am besten gefallen.
Aus den Türen der anderen Ausstellungen winken mir die Objekte fast zu. Ich muss doch nochmal bei den Eintrittskarten zulangen und habe nun einen Marathonlauf vor mir.
Ich beschließe, nur mein Lieblingsbild bzw. Objekt zu fotografieren.
Daraus wird leider nichts. Es gibt viel zu viele davon.
Es ist so viel, dass mein Hirn in der Kürze der Zeit alles gar nicht erfassen kann.
Fotografieren, um später der Erinnerung nachzuhelfen funktioniert auch nur bedingt. Auf jeden Fall sind viele tolle Sachen dabei.
Eine Ausstellung zeigt Gemälde in japanischem Stil, die zweite Gemälde im westlichen Stil, die dritte Gemälde eines Pierre Bonnard, der von 1867 bis 1947 lebte.
Von ihm sind mehr als 130 Werke dabei. Man hat sie aus dem Musée d'Orsay ausgeliehen.
In der vierten Ausstellung sind Skulpturen aus den unterschiedlichsten und erstaunlichsten Materialien gefertigt. Die Masse erschlägt mich fast.
Dieser Teil der Ausstellung nennt sich: Craft als Kunst- Kunsthandwerk .
Zuletzt noch die Ausstellung "Sho", bei der es um Kalligraphie geht. Ich verstehe überhaupt nichts davon. Die Japaner stehen interessiert davor und diskutieren über Details.
Erst später lese ich etwas über diesen großen Ausstellungskomplex. Die Gesamtausstellug nennt sich: The Nitten.
Das ist eine der größten Kunstausstellungen Japans. Ihren Ursprung hat sie im Jahre 1907, ins Leben gerufen von der Regierung Meiji.
Seitdem gibt es sie jährlich im Herbst.
Sie nennt sich abwechselnd Bunten, Teiten, Shinbunten oder wie jetzt Nitten, je nachdem, von wem die Ausstellung ausgerichtet wird. Seit mehr als hundert Jahren sind aus dieser Ausstellung viele bedeutende Künstler hervorgegangen.
Diesmal werden mehr als 3000 Werke führender Künstler und neuer Talente gezeigt. Sie ist in 5 Kategorien eingeteilt. Also gleich nochmal:
Gemälde im japanischen Stil, Malen im westlichen Stil, Skulpturen Handwerk als Kunst und Sho.
Und nun ein paar Beispiele.



















Flottes Laufen in der beginnenden Dämmerung bringt mich zum Roppongi Hills Mori Tower, der auch zum Kunstdreieck gehört.
Das darin befindliche Mori Art Museum gilt als Herz der Roppongi Hills. Dort wird Kunst der Gegenwart den Menschen näher gebracht. Außerdem gibt es viele Büros, Tagungsräume und Restaurants im Gebäude. Im 43. Stockwerk könnte man die Aussichtsplattform genießen.




Ich kann heute aber gar nichts mehr. Ich bin kaputt. Vielleicht bleibt die Zeit, hier noch einmal herzukommen. Ich komme halt meistens morgens zu spät raus. Andererseits kann man ja auch nicht 20 Stunden in so einem Moloch unterwegs sein.
Bislang habe ich heute noch keine Zeit gehabt, mich mal in einem Café niederzulassen. Zum Glück habe ich noch ein paar Kekse und Wasser im Rucksack.
Wieder wage ich mich in die Tiefe der schrecklichen Station Roppongi.
Es ist 18 Uhr, und es herrscht ein Gedränge wie ich es noch nie erlebt habe bisher.
Ich bin ganz stolz, dass ich relativ locker in eine Bahn hineinkomme. Da habe ich mich aber zu früh gefreut.
Plötzlich gibt es einen starken Schub, so als wolle jemand einen vollen Koffer zumachen, in den schon lange nichts mehr reinpasst. Das Dumme ist nur, ich bin mitten im Koffer und werde regelrecht zusammengequetscht. Ob draußen nachgeschoben wurde, kann ich nichts sagen, weil ich auch nicht sehen kann, was sich draußen abspielt.
Die Türe geht irgendwie zu, und los geht die Fahrt. Bis zur nächsten Haltestelle stehe ich in einem Bereich, in dem man sich nirgends festhalten kann. In jeder Kurve, beim Bremsen oder Beschleunigen schwankt die Masse. Gehalten wird sie dann nur vor den Leuten, die sich hoffentlich genug festhalten.
Es steigen einige Leute aus, gefühlt dreimal soviel werden nachgeschoben.
Bis zur nächsten Haltestelle habe ich dann Halt an einem Pfosten gefunden. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteil, ich kann nicht so einfach umfallen oder weggedrängt werden. Nachteil, sie quetschen einen gnadenlos gegen den Pfosten. Das ist auch kein Vergnügen.
Und die Bahn schwankt und eiert hin und her. Die Masse auch. Erstaunlich ist, dass sich das Ganze völlig lautlos abspielt.
Bis auf das Geschrei der Bahnansagen hört man nichts. Völlig stumm und klaglos lassen sich die Menschen wie Autos in der Quetsche zusammendrücken. Schaut man jemandem in die Augen, so gibt es keinerlei Reaktion. Die Blicke sind absolut leer.
Keiner kommuniziert, außer er hat das Glück und kann sein Smartphone noch in Augennähe bringen und mit irgendeinem Finger bedienen. Dann hat er eine Beschäftigung. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit es zu ertragen, wenn das hier zum Alltag gehört.
Einfach mal das Auto oder das Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit zu benutzen, ist in dieser Riesenstadt nicht drin.
Die Bahnhofsdirigenten haben sich aus der Menge herausgezogen, stehen nun ganz häufig auf Hockern, um dem Zug, bevor er in Sichtweite ist, per Fingerzeig den Weg zu weisen und den Überblick zu behalten.
Zum Glück steige ich jetzt aus. Von hinten wird geschoben und gedrückt, obwohl ja einige rausgehen. Ich bin froh, als ich endlich oben bin, bei dem berühmten Hund an der berühmten Shibuya Kreuzung. So viele Leute wie heute habe ich hier auch noch nicht gesehen.


Ich möchte mir nur noch eine kleine Kneipengasse ansehen, die mir empfohlen wurde. Das hatte ich mir aber glatt sparen können.




Maximal 10 winzige Kneipen finden sich mit etwas mehr roten Lampions hier zusammen. Das war's dann auch schon. Sicher wäre ich auch mal in eine Kneipe reingegangen, aber das macht alleine gar keinen Spaß. Diese winzigen Lokale haben maximal 5-7 Plätze, und ich glaube, sie sind vor allem zum Bier- und Saketrinken da.
Also habe ich noch immer nicht die richtig guten Gassen entdeckt. Lange Zeit bleibt zum Suchen nicht mehr. Noch 5 Nächte, dann geht's nach Taiwan.
Keine 20 Meter weiter und nur wenige Schritte von der riesigen Shibuya- Kreuzung entfernt sieht es dann auch mal so aus.


In einem doofen Lokal bestelle ich eine Portion Spaghetti. Ich habe den ganzen Tag nichts anständiges gegessen. Da war es mir gerade egal, wo ich hinein gehe. Ich möchte auch Zeit überbrücken, bis sich die Rushhour etwas gelegt hat. Empfehlenswert ist das Lokal nicht, habe auch gleich, entgegen meinen Gepflogenheiten, eine sehr negative Kritik im Internet hinterlassen.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof hätte mir das kleine Männchen sicher gerne den Weg durchs Kaufhaus gewiesen. Das Pad haben sie ihm auf die Brust geschraubt, und es quasselt auch ungefragt.


Mir reicht aber schon der Blick in die große Abteilung im Eingangsbereich. Der November hat gerade begonnen.


Die Hanzomon- Linie, die direkt nach Kinshicho fährt, ist zum Glück um 19.40 ziemlich leer, sodass ich sogar einen Sitzplatz erwische. Über eine Strecke von 12 Stationen zu stehen ist kein Vergnügen.



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